Die Turmuhr der Ehmer Kirche St. Ludgeri
Die Uhr ist für normale Bürger fast unsichtbar: das einzige ist das Zifferblatt an der Westseite des Turmes. Sie ist aber nicht unhörbar:
jeweils zur halben Stunde ertönt ein Schlag der Uhrenglocke, zur vollen Stunde hört man entsprechend viele Schläge. Zusätzlich hört man jeweils um 6, um 12 und um 18 Uhr neun Schläge von der großen Glocke. Diese Schläge hatten vor mehr als hundert Jahren die Bedeutung, die Bürger zum Gebet eines „Vaterunsers“ zu ermahnen. Profaner: um 6 Uhr begann die Arbeit auf dem Feld, um 12 Uhr war Mittagspause, um 6 (oder auch erst um 7 Uhr) war Feierabend. Denn im Jahre 1897 hatte noch kaum ein Mensch eine Taschenuhr. Diese Uhr war der öffentliche Zeitanzeiger für die Landbevölkerung.
Im selben Jahr, in dem auch unsere Kirche gebaut wurde, entstand das Uhrwerk bei der Firma Weule in Bockenem am Harz.
Auf dem Bild sieht man das Hauptwerk der Uhr: in dem großen gusseisernen Rahmen ist rechts das sogenannte Gangwerk untergebracht; die nach oben führende Stange rechts geht zum Zifferblatt für den Minutenzeiger; hinter dem Zifferblatt gibt es ein 1:60-Getriebe zum Antrieb für den Stundenzeiger. Im linken Teil des Rahmens befindet sich das Schlagwerk, von dem die Schläge an die Uhrglocke - im obersten Stockwerk des Turms - ausgelöst werden. Links daneben befindet sich in einem eigenen Rahmen das Betglockenwerk.
Diese Uhr war zu ihrer Zeit aus verschiedenen Gründen ein echtes Meisterwerk. Es musste nur an wenigen Stellen gelegentlich einen Tropfen Öl bekommen. Das eigentliche Werk war nahezu wartungsfrei: die Zahnräder bestehen aus sog. selbstschmierender (Blei-)Bronze, die gute Gleiteigenschaften hat. Wie jede mechanische Uhr muss sie allerdings aufgezogen werden. Einmal in der Woche müssen die Gewichte, welche sie in Gang halten, von Hand nach oben gekurbelt werden. Drei Werke, drei Gewichte, dreimal kurbeln. Wer kann uns dabei helfen? Nach überschläglicher Berechnung ist dafür eine Leistung von ca. 6 W erforderlich. Das ist doch eine Kleinigkeit. Oder? Wer aus der jüngeren Generation kann und möchte helfen? Das untere Bild zeigt Siegfried Kassel, welcher an jedem Donnerstag morgen die Uhr aufzieht, doch auch er wird älter. Das kirchliche Denkmalamt lobt uns wegen dieser Tradition der Uhrenpflege.